Der BFH musste sich mit der Frage befassen, ob die Lieferung von selbst erzeugtem Strom eine Hauptleistung ist, selbst wenn dem Leistungsempfänger des Stroms daneben umsatzsteuerfrei Wohnraum vermietet wird und der Strom vom Mieter dort genutzt wird. Er entschied, dass die Lieferung von Mieterstrom nicht zwingend eine Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung ist. Dies eröffnet einen Vorsteuerabzug bei Versteuerung der Mieterstrom-Lieferung als Ausgangsleistung.

 

Hintergrund

Der Kläger erbringt steuerfreie Vermietungsleistungen aus der Vermietung eines Mehrfamilienhauses und eines Doppelhauses.

Der Kläger ließ auf den Dächern dieser Objekte jeweils PV-Anlagen mit Speichern installieren.

Für beide Photovoltaikanlagen wurden jeweils 2 Messungen verbaut.

Die erste Messung erfasst die Gesamtproduktion des Stroms.

Der erzeugte Strom, der direkt über den Batteriespeicher an die Mieter fließt, läuft über eine entsprechende Messung.

Der überschüssige Strom wird an die N-GmbH geliefert.

Der ggf. von den Mietern zusätzlich benötigte Strom (Reststrom) wird im Namen und im Auftrag des Klägers über die E-GmbH bzw. G-AG bezogen und mit einem Gewinnaufschlag an die Mieter abgegeben.

Der Kläger rechnete mit den Mietern den Strom jährlich ab. Unterjährig waren monatliche Abschläge zu entrichten.

Der Vermieter und Kläger schloss neben den jeweiligen Mietverträgen eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über die Stromversorgung ab.

Nach der Zusatzvereinbarung kann der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Außerdem ist geregelt, dass der Mieter für den Fall, dass er nach der Kündigung anderweitig den Strom beziehe, die Kosten der Umbaumaßnahmen der Zähleranlage zu tragen habe.

In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2018 machte der Kläger die Vorsteuer aus dem Erwerb der PV-Anlage nebst Batteriespeicher geltend.

Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, da es sich um eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung handelt und ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei.

Das FG ließ den Vorsteuerabzug aus dem Anlagenerwerb zu. Die Stromlieferung sei keine unselbstständige Nebenleistung zu den umsatzsteuerfreien Vermietungsleistungen.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und den begehrten Vorsteuerabzug aus dem Erwerb von PV-Anlagen nebst Batteriespeicher gewährt.

Bei der Abgrenzung, ob es sich um mehrere Hauptleistungen oder ein Hauptleistung und eine Nebenleistung handelt, sind bei Vermietung von Immobilien 2 Fallgruppen zu unterscheiden:

    1. Fallgruppe 1: Wenn der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, liegt grundsätzlich eine von der Vermietung getrennt anzusehende Leistung vor.
    2. Fallgruppe 2: Wenn die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bildet, ist demgegenüber davon auszugehen, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden.

Die Lieferung von Mieterstrom stellt unter Anwendung der Abgrenzungsgrundsätze im Entscheidungsfall eine eigene Hauptleistung dar. Dafür spreche Folgendes:

    1. Die Verbrauchsmenge des Stroms wird über individuelle (Unter-)Zähler abgerechnet.
    2. Es liegen individuelle (Zusatz-)Vereinbarungen über die Stromlieferung vor. Diese sehen vom Mietvertrag abweichende Kündigungsfristen vor.
    3. Die freie Wahl des Stromanbieters ist für den Mieter möglich, selbst wenn der Mieter dann vertragsgemäß Umbaukosten zu leisten hat.

Der begehrte Vorsteuerabzug aus dem Anlagenerwerb wurde zugelassen. Die Kosten des Vermieters für die Anschaffung einer PV-Anlage stehen nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der steuerfreien Wohnungsvermietung, sondern mit der umsatzsteuerpflichtigen Stromlieferung.

 

[November 2024 – JS]